23. AUGUST 2017 (1. TAG)
ZÜRICH-WIEN-VILNIUS
Mitten in der Nacht stehen wir auf, um uns am Züricher Flughafen zu treffen. Unsere Flugreise nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens, führt uns via Wien. Kurz vor 13.00 Uhr landen wir bei windigem und garstigem Wetter. Die angenehmen Temperaturen der Schweiz haben wir (leider) zurückgelassen. Auf der Fahrt ins Hotel Radisson Blu Lietuva erklärt uns Reiseleiterin Egle die ersten Geschichten über die Hauptstadt. Spätestens jetzt wissen alle, dass diese Reise kein Spaziergang sein wird. Geplant war, direkt nach dem Check-in mit einer Stadttour zu starten, allerdings hat uns der Hunger einen Strich durch die Rechnung gemacht. Egle ist super, sie organisiert für uns kurzerhand im Restaurant Senoji Trobelé einen landestypischen Imbiss: Knoblauchbrot, Schweineohren, Käse und natürlich Bier. Litauen ist für die vielen kleinen und autonomen Brauereien bekannt. Und seit diesem Nachmittag wissen wir auch, dass das Bier hervorragend schmeckt und selbstverständlich keine Konkurrenz aus Tschechien und England scheuen muss.
Gestärkt und gut gelaunt sind wir nun für den Fussrundgang durch die Stadt bereit. Wir starten vor dem Wahrzeichen von Vilnius, die Kathedrale St. Stanislaus im historischen Herzen der Stadt. Gleich nebenan befindet sich das Nationalmuseum. Und etwas weiter zurück in der Vergangenheitsgeschichte liegt das Denkmal des Grossfürsten Gedimina – wichtige Figur in der Entstehung Litauens. Auf dem Weg in die Kathedrale erhaschen wir einen Blick auf die Obere Burg. Die Aussicht über Vilnius soll traumhaft sein, wir haben es aber nicht getestet.
Egle erklärt uns in der Kathedrale die Kapellen in den Seitenschiffen und Anekdoten zum Bau und zur Entstehung, insbesondere diejenige des litauischen Nationalheiligen Kasimir. Wir spüren instinktiv, dass Kirchen uns die nächsten Tage begleiten werden. „Rom des Nordens“ oder „Jerusalem des Nordens“ sind zwei Bezeichnungen mit denen Vilnius gerne geschmückt wird, denn Gotteshäuser prägen die Silhouette der Stadt. Unübersehbar ragen ihre Türme in den Himmel und ihre Glocken künden vom Glauben. Fast von jedem Standort, so heisst es, kann man drei Kreuze sehen. Dennoch, die religiösen Gemeinschaften existieren hier seit Jahrhunderten nebeneinander und sind auch heute noch ein Beispiel für gelebte Toleranz.
Plötzlich zieht ein unvorhergesehenes Gewitter auf. Wir gönnen uns eine Wartepause im Hotel Kempinsky und machen uns anschliessend auf den Weg zum Universitätsviertel und dem Präsidentenpalast, den wir durch ein Gitter begutachten. Weiter geht es zum Rathausplatz in Richtung Tor der Morgenröte, vorbei an weiteren Kirchen der Stadt (eine unglaubliche Dichte!). Das letzte noch erhaltene Stadttor ist heute eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, da es das Bild der „Heiligen Jungfrau Maria, Mutter der Barmherzigkeit“ beherbergt. Pilger aus aller Welt und verschiedener Religionsglauben verehren das Marienbild, welches es auch in die Souvenirläden der Stadt geschafft hat.
Auf dem Kathedralenplatz wurde im Jahr 1991 die Revolution gestartet, nach der sich die drei Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen von Russland abgesondert und dadurch die ersehnte Autonomie erlangt haben. Wahrhaftig einen Meilenstein unserer jüngsten Geschichte Europas.
Vilnius: Seit der Unabhängigkeit Litauens ist die Stadt zum Aushängeschild des Landes geworden und zur Vorzeigemetropole eines Volkes, das zu den zahlenmässig kleinsten Europas zählt. Fremde Besatzer, Revolutionen, Krieg und Verderben, Massaker und Elend haben die Stadt über Jahrhunderte immer wieder heimgesucht. Ihren Stolz aber konnte keiner brechen. Aus dem mittelalterlichen Dörfchen am Zusammenfluss von Neris und Vilnia ist längst eine Grossstadt geworden. Wir spüren es aus Egles Untertönen, dass die Sowjetzeit immer noch sehr präsent ist und tiefe Wunden über Generationen verursacht hat. Die Menschen blicken allerdings auch vorwärts in die Zukunft ihres Landes.
Unseren langen ersten Tag schliessen wir im Restaurant Lokys ab. Leider werden wir gleichzeitig mit einer anderer Reisegruppe bedient, so dass wir etwas länger auf das Essen warten müssen. Gemeinsam verlassen wir das Restaurant in Richtung Hotel, wo in der Skybar einige von uns noch einen Drink geniessen. Und danach? Danach fallen alle in einen tiefen Schlaf, kein Wunder, bei diesen vielen Eindrücken und dem langen Tag!